Am Morgen gegen 9:00 Uhr werfen wir einen neugierigen Blick in das kleine Gasthaus
von Frau Sigfridur Óskarsdóttir, das bereits geöffnet hat. Auf einem
Aushang nahe der Theke des urigen Gasthauses werden zwei verschiedene Früstücksvarianten
angeboten und nach kurzem Überlegen entscheiden wir uns für die umfangreichere.
Dies sollte die erste und letzte Ausnahme von der Regel der Selbstversorgung zum Früstück
bleiben.
Das Früstück von Frau Óskarsdóttir ist wirklich zu empfehlen: es gab neben ausreichendem
Weiß- und Mischbrot noch Kaffe, Tee, Fruchtsaft sowie normale und Dickmilch. Dazu gab es Müsli, Cornflakes,
jeweils zwei Wurst- und Käsesorten sowie Marmeladen und Honig. Abgerundet wurde das ganze
durch einen großen Topf Haferschleim und eine uns unbekannte Süßspeise, die auffällig stark
nach Lakritz schmeckte.
Zu den Cornflakes passte die Süßspeise ausgezeichnet, die von mir getestete Vermengung mit
dem Haferschleim dürfte jedoch nicht jedermenschs Sache sein. Wir bedanken uns bei unserer Gastwirtin
für das gute Frühstück und machen uns fertig zum Aufbruch.
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Das Ziel des heutigen Tages sollte Laugarvatn sein, aber schon bald merken wir, dass es weniger
gut vorangeht als gedacht. Neben dem zeitweise deutlich spürbaren Gegenwind ist hierfür vor
allem wieder der schon bekannte Streckenbelag aus losem Sand und Schotter und die waschbrett-artige
Struktur des Untergrundes verantwortlich. Unter diesen Bedingungen geht es zunächst von Strandarkirkja
zurück auf die Straße 42 und auf dieser über Hliðarendi bis zur Kreuzung mit der
38/39. Dort wechselt der Belag dann endlich zu Teer und wir biegen nach Süden auf die 38 ab, der
wir in Richtung Þorlákshöfn für ca. 4km bis zum Abzweig der Straße 34 folgen.
Die 34 ist bei sonnigem Wetter eine ausgesprochen schöne Route, führt sie doch schon bald nach dem
Abzweig unmittelbar an der Atlantikküste entlang. Hier überfährt man auch auf einem langen
Brückenbauwerk die Mündung der Ölfusá, die sich in früheren Zeiten zu einem
Ästuar erweitert hat und mittlerweile durch die Bildung eines knapp 4km langen Strandhakens vom offenen
Atlantik wieder weitgehend abgeschottet ist. Gebildet wird die Ölfusá aus dem Zusammenfluss der
beiden aus dem Norden kommenden Gletscherflüsse Sog und Hvítá.
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Wir fahren über die Orte Sólvangur und Eyrarbakki, wo wir dann eine Rast machen und hinunter
zum Strand gehen. Hier will ich Sand in eine Tüte abfüllen, um ihn für kölner Freunde
mitzunehmen, die Sand von allen möglichen Stränden sammeln. Und auch hier, in diesem entlegenen
Winkel der Welt gilt uneingeschränkt das Zitat des Kabarettisten Richard Rogler: "Egal wo man hinkommt,
der deutsche Rentner ist schon da". Denn beim Eintüten des Sandes fragen mich deutsche Renter, was ich
da mache und der einzige Kommentar dazu ist der belehrend-gönnerhafte Hinweis, dass es im Nordwesten der
Insel mindestens gleich guten Sand gibt. Vermutlich handelte es sich bei den ebenso bereisten wie betagten
Herrschaften um ausgesprochene Sand-Kenner.
Nach dieser Episode und - ignorant wie ich bin - mit gefülltem Sandbeutel, biegen wir kurz hinter
Eyrarbakki, dem Verlauf der Straße 34 folgend, nach Norden in Richtung Selfoss ab. Da mein Hinterrad-
Mantel mittlerweile über eine Länge von 10cm direkt am Felgenansatz aufzureißen beginnt und es
schon gegen 16:00 Uhr ist, erklären wir entgegen unsereres ursprünglichen Planes Selfoss zum heutigen
Etappenziel. Wir wissen, dass es dort ein Fahhradgeschäft gibt und auch einen Campingplatz.
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Gegen 16:30 Uhr erreichen wir die Stadt Selfoss, die mit 4.907 Einwohnern die größte Ortschaft in der
Gemeinde Árborg ist. Selfoss liegt übrigens direkt an der bereits erwähnten Ölfusá
und stellt ein wichtiges Handelszentrum in Islands Süden dar.
Den Radladen finden wir ohne größere Probleme und ein passender Reifen ist zum Glück vorrätig.
Nach dem Wechsel geht's zum Campingplatz von Selfoss, der im Gegensatz zu unserem letzten Platz auch schon gut besetzt ist.
Der Campingplatz von Selfoss besteht aus einer weitläufigen Rasenfläche, auf der sich die Zelte leicht verankern lassen.
Zahlreiche Nischen und Bewuchs mit Bäumen und Büschen bieten viel Windschutz. Die sanitären Anlagen sind OK, aber für
einen Campingplatz dieser Fläche in der Hauptsaison wohl kaum ausreichend. In einem der beiden großen Supermärkte
des Ortes füllen wir unsere Vorräte auf. Den Tag beschließen wir mit einer Pizza und zwei Budweisern im "Robin Hood" in
der Asturvega 22. Hier erfahren wir, dass der Stolz der Isländer auf ihre Mutterprache zu seltsamen Randerscheinungen
führen kann: sogar der Name Robin Hood wurde hier in eine isländische Entsprechung übersetzt, so dass
der eigenliche Name des Restaurants nicht "Robin Hood", sondern
"Hrói Höttur" ist.
Als man uns die Rechnung überreicht, verstehen wir endlich die undeutbaren Blicke der Serviererin, mit denen sie
auf die Bestellung unseres zweiten Biers reagierte. Ähnlich wie in den skandinavischen Ländern gilt auch auf
Island eine außergewöhnlich hohe Alkoholsteuer, die uns nun für jedes Budweiser um 8 € ärmer
gemacht hatte. Nunmehr wieder völlig nüchtern treten wir den Rückweg zu unserern Zelten an.
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