Der erste Weg an diesem sonnigen Morgen führt aus dem Viertel des Campingplatzes heraus
geradewegs Richtung Haupstraße, auf die andere Seite derselben und dort in die Bäckerei,
wo mir zunächst das englische Wort für "Brötchen" nicht einfallen will, geschweige
denn das isländische. Dank der verständnisvollen Verkäuferin ziehe ich aber dennoch
mit dem gewollten ab und so beginnt dieser Tag mit einem der beiden einzigen Frühstücke
der Tour, zu dem es Brötchen gab.
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Nach dem Früstück verlassen wir Selfoss auf der mitten durch den Ort führenden
Ringstraße (Nummer 1) in Richtung Nordwesten. Nach nur etwa 2km biegen wir nach Norden auf
die Straße 35 ein und haben nun völligen Gegenwind mit einer geschätzten Stärke
von etwa 4 - 6. Während der knapp 10km langen Etappe auf der Straße 35 bieten sich zur
Rechten immer wieder schöne Ausblicke auf das teils verwilderte und teils mäandrierende
Bett des Gletscherflusses Hvítá, der weit im Nordosten an der Ostseite des
großen Gletschers "Langjökull" entspringt. Linkerhand fließt die Sog,
ebenfalls ein Gletscherfluss, immer parallel zum Straßenverlauf.
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Nach ca. 9,5km Fahrt auf der 35 nehmen wir den Abzweig auf die Straße 36, die uns in genau
nördlicher Richtung nach Þingvellir führen soll. Wir fahren immer weiter an der
Sog entlang, die den südlichen Abfluss des jetzt noch ca. 15km entfernten Sees "Þingvallavatn"
darstellt. Der Wind nimmt jetzt noch einmal an Stärke zu und pendelt sich bei etwa 6 ein, wodurch
wir nur noch mühsam vorwärtskommen. Zum Wind kommt jetzt noch immer wieder mal eine andere
Störung hinzu, vor der man unbedingt warnen muss: es sind die LKW's, die hier und
überall sonst auf Island, wo es die Straßenführung erlaubt, mit deutlich mehr als
100 Stundenkilometern an einem vorbeirasen. Die Wirkung der Druck- bzw. Sogwelle unmittelbar nach
dem Überholvorgang ist nicht zu unterschätzen und hätte uns mehr als einmal beinahe
von der Strecke gefegt. Wir empfehlen, bei Annäherung eines solchen Gespanns anzuhalten und
sich mit beiden Füßen am Boden abzustützen.
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Irgendwann erreichen wir schließlich die Südausläufer des Þingvallavatn,
der mit 82km² der größte See Islands ist. Der Þingvallavatn liegt genau
in der Zone, in der das Mid Atlantic Riftvalley ( "Mittelatlantischer Rücken"), auf Island zu
Tage tritt.
Hierbei handelt es sich um jene Zone, an der die eurasische und nordamerikanische
Kontinentalplatte eine Nahtstelle haben, an der beide Platten etwa 2cm pro Jahr auseinander
driften.
Diese Naht zieht sich durch den gesamten Atlantik und der auch als "Seafloor Spreading"
bezeichnete Vorgang führt zur Neubildung ozeanischer Erdkruste durch ständige
Förderung von basaltischem Magma aus dem Erdmantel, die entlang der bezeichneten Zone eine
regelrechte untermeerische Gebirgskette hat entstehen lassen.
Dort, wo wir uns gerade befinden, macht sich das Riftvalley durch deutlich sichtbare Verwerfungen
des Erdbodens bemerkbar.
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So kann man beispielsweise eine mehrere Kilometer lange Steilkante im Gelände sehen, aber auch
unzählige winklig dazu verlaufende kleinere Brüche der Kruste und nicht zuletzt den
Þingvallavatn selbst, dessen Wassermengen einen Teil der großen Bruch- und Senkungszone
in dieser Gegend Islands gefüllt haben. Damit fällt er eindeutig in die Kategorie der tiefen tektonischen
Seen, zu denen auch der sibirische Baikal- und der nordafrikanische Tanganjikasee zählen.
In dieser beeindruckenden Landschaft mit ihrer zum Greifen nahen Bilderbuch-Geologie machen wir eine
Rast direkt am Seeufer. Anschließend nehmen wir den Kampf gegen den Wind wieder auf und legen die
restlichen 20km bis zum Þingvellir National Park zurück.
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Der Þingvellir National Park liegt am Nordende des Þingvallavatn und zeigt die gleichen
tektonisch stark zerrütteten und daher bizarr wirkenden Landschaftsformen wie die übrige
Gegend um den Þingvallavatn. Hier, genaugenommen in der Schlucht von Almannagjá, wurde
im Jahr 930 neuer Zeitrechnung das
"Alþing"
gegründet. Diese isländische Gesetzesversammlung
ist das älteste noch bestehende Parlament der Welt.
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Früher trafen sich hier die
"Goden",
um Recht zu sprechen und Gesetze zu verabschieden.
Wir fahren mit den Rädern durch die Schlucht zu ihrem höchsten Punkt, von wo man einen
grandiosen Ausblick auf die umgebende Landschaft und den Þingvallavatn hat. In Richtung
Nordosten blickt man auf den 1060m hohen alten Vulkan Skjaldbreiður, der vor rund 8000 Jahren
die Lavamengen verbreitete, die maßgeblich diese Landschaft geprägt haben.
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Um jetzt die Fahrt in Richtung Laugarvatn fortzusetzen, müssen wir uns zunächst wieder
zurück zum Þingvallavatn begeben. Dazu wählen wir jedoch nicht die gleiche Strecke,
die wir für die Hinfahrt genutzt haben, sondern nehmen die Straße 361, die hinunter in
die Ebene an das Nordufer des Sees führt. Der 361 folgen wir immer am Nordufer des Sees entlang,
bis sie wieder auf die Straße 36 trifft. Diese muss man zunächst noch ein kleines Stück
nach Norden fahren, bis man schließlich den Abzweig der Straße 365 nach Laugarvatn erreicht.
Die 365 ist eine schlechte Piste mit der schon früher beschriebenen Waschbrett-Struktur, und trotz
Rückenwind brauchen wir eine unverhältnismäßig lange Zeit nach Laugarvatn. Die Höhenunterschiede, die man auf der 365 zu überwinden hat, sind nicht gravierend. Die südlichen
Ausläufer der Gipfel und Höhenrücken rund um den Skjaldbreiður sorgen für Steigungen
von maximal 4 - 6 Prozent. Nachdem man etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt hat, geht es
eigentlich nur noch bergab bis zum Ziel der heutigen Etappe.
In Laugarvatn ist der große Campingplatz recht einfach zu finden: am Ortseingang biegt
man von der Straße 365 auf die geteerte 37 nach rechts ab und trifft bereits nach etwa
200 Metern auf das Campinggelände, dass sich links der Straße erstreckt.
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Der Platz ist wie gesagt groß, mit guten sanitären Anlagen ausgestattet und verfügt
über eine Art kombiniertem Imbissrestaurant und Aufenthaltsraum.
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