An diesem Morgen brechen wir zum ersten mal bei trübem Himmel und leichtem Sprühregen
auf. Erstes Ziel ist das Ufer des Laugarvatn. Der ca. 2km² große See wird nicht nur
von einigen Gletscherbächen aus dem Norden sondern an seinem Grund auch von heißen
Quellen gespeist, wodurch er ganzjährig eine Temperatur zwischen 20 und 30°C hat.
Nach einem letzten Blick auf den See verlassen wir den gleichnamigen Ort über die Straße
37 in Richtung Nordosten bzw. Miðalur. Die vor uns liegende knapp 30km lange Etappe zum
Geothermalgebiet Haukadalur erweist sich wegen der recht monotonen Landschaft, die nur spärlichen
Grasbewuchs und ansonsten kahle braune Lavafelsen zeigt, als unspektakulär. Positiv stimmt uns aber
das Aufhören des Regens und der jetzt hauptsächlich von hinten kommende Wind.
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Gegen 12:30 Uhr erreichen wir das "Geothermalgebiet Haukadalur"
und es ist unübersehbar,
dass man sich hier in einem der Hauptzentren des isländischen Tourismus befindet: unzählige
parkende Reisebusse, ein großes Souvenirgeschäft und das babylonische Stimmengewirr mit
vorherrschend amerikanischem Akzent machen einem unmißverständlich klar, dass Island
kein Ausnahmereiseziel für Individualisten oder Außenseiten mehr ist, sondern die Erschließung
dieses Dienstleistungszweiges immer mehr fortschreitet.
Die Naturphänomene, die man hier bewundern kann, machen den Auflauf allerdings verständlich. Wo sonst kann
man in Europa aktive Geysire, heiße Quellen und andere geothermale Erscheinungen in so großer Dichte
sehen? Auch ich bin beeindruckt von der unglaublichen Aktivität, die hier unter der Erdkruste am Werk und überall
sicht- und spürbar ist. Es gibt im Gebiet von Haukadalur, in dem man auf gekennzeichneten Wegen alles
erkunden kann, eine ganze Reihe von brodelnden heißen Quellen, dampfenden Spalten und Rissen im Boden und
natürlich die Hauptattraktion, die beiden aktiven Geysire. Der kleinere von ihnen,
"Strokkur"
(übersetzt: Butterfass),
bricht etwa alle 5 bis 10 Minuten aus und schleudert dann eine 25 bis 30 Meter hohe Fontäne aus Dampf
und Wasser empor (siehe
"Videoclip").
Neben den Geysiren sind hier vor allem die heißen Quellen interessant, die Temperaturen von bis zu 100°C
ereichen und deren Wasser teilweise eine intensiv blaue Eigenfarbe zeigt.
Nach einer kurzen Rast an einem der vielen Tische vor dem Souvenirshop setzen wir die Fahrt
auf der Straße 35 in Richtung Nordosten fort.
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Unser nächstes Ziel soll der
"Gullfoss"
sein, der als der schönste Wasserfall Islands gilt. Die Entfernung vom Geothermalgebiet
bis zum Wasserfall beträgt ca. 8km und es handelt sich um eine durchgehend geteerte Verbindung
mit einer nur minimalen Steigung auf dem letzten Wegstück hinauf zum Aussichtspunkt.
Kurz vor dem Aussichtspunkt, an dem sich auch ein großes Restaurant und natürlich
ein Souvenirshop befindet, teilt sich die Straße noch einmal: ein Rechtsabzweig führt
zu einem zweiten Aussichtspunkt. Dieser liegt deutlich unterhalb der oberen Abbruchkante. Als wir
sehen, dass er auch vom oberen Aussichtspunkt aus zu erreichen ist, entschließen wir uns
letzteren zu besuchen. Hier bietet sich mit zahlreichen Bussen ein ähnliches Bild wie in Haukadalur.
Neben dem Souvenirshop und dem großen Restaurant hat man hier auch ein kleines Museum
erichtet, dass Sigríður Tómasdóttir gewidmet ist. Sie war die Tochter
des Bauern Tómas Tómasson, dem man vor einigen Jahrzehnten das Gelände
um den Wasserfall abkaufen wollte, um dort ein großes Wasserkraftwerk zu errichten.
Sigríður stritt jedoch so beharrlich gegen das Geschäft an, dass es letztendlich
nicht zustande kam. In Anerkennung ihres Kampfes, mit dem sie ein Stück einzigartiger Natur auf
Island bewahrt hatte, widmete man ihr hier am Gullfoss ein Denkmal und das genannte Museum.
Nach diesem Ausflug in die Geschichte, die im Gullfoss-Museum ausführlich dokumentiert ist,
gehen wir den schmalen Pfad hinunter zum Aussichtspunkt, der einen großartigen Panoramablick
auf den Wasserfall bietet. Der Gletscherfluss Hvítá stürzt hier in zwei Stufen
über eine Tiefe von insgesamt 32 Meter in einen 2,5 km langen Cañon. An diesem trüben
Tag zeigt sich leider kein Regenbogen über dem Wasserfall, aber auch so stellt der Gullfoss mit seiner
enormen Wassermenge und der landschaftlich schönen Lage über der Hvítá-Schlucht
ein überragendes Naturschauspiel dar
(siehe "Videoclip 1"
und "Videoclip 2").
Auf einem felsigen Pfad kann man übrigens der oberen Abbruchkante sehr nahe kommen und den
Wasserfall aus größter Nähe erleben - Regenkleidung ist hier empfehlenswert.
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Nach einem Kaffee im Restaurant und dem Einkauf zweier kleiner Halsketten mit alt-nordischen
Runenzeichen für meine bald fünf Jahre alt werdende Tochter, beginnen wir die
weitere Fahrtroute zu planen. Neben dem sehr kompakten "Marco Polo"-Reiseführer haben
wir noch den speziellen Radreiseführer "Island per Rad"
(vgl. "Reise-Literatur")
dabei, in dem wir uns nun eine geeignete Strecke suchen, die uns in den nächsten beiden Tagen
nach Landmannalaugar führen soll. Wir entschließen uns, die Straße 30 nach Süden
zu nehmen, von der dann in ca. 40km Entfernung vor Reykir die Straße 32 nach Osten in Richtung
Landamannalaugar abzweigt. Als Tagesziel kommt für uns der Campingplatz in Fluðir oder der
ca. 24km weiter entfernte Platz von Árnes in die engere Wahl.
Um nun zunächst auf die Straße 30 zu gelangen und dabei doch nicht den gleichen Weg
zurückzufahren, den wir auf der Hinfahrt hatten, folgen wir einer Empfehlung aus
"Island per Rad". Der Author schreibt über eine Parallelroute zur Hvítá,
die von der Einstufung her etwa einer Straße der dritten Kategorie entsprechen soll.
Irgendwie verfehlen wir jedoch diesen Weg und gelangen auf einen Pfad, der immer westlich der
Hvítá entlang- und an einigen Höfen vorbeiführt, jedoch von miserabler
Qualität ist. Im Endeffekt müssen wir über eine Strecke von knapp 3km schieben und
empfehlen daher jedem, der ebenfalls die Südroute wählen will, von Gullfoss auf der 35
zunächst ein Stück zurückzufahren, und dann den Abzweig auf die 30 zu nehmen.
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Irgendwann erreichen jedoch auch wir die geteerte Straße 30, überqueren auf dieser
die Hvítá und verlassen deren Tal mit einer Steigung von 8 bis 10% auf etwa 10km Länge.
Kurz vor Fluðir sehen wir, wie eine ganze Herde von Islandpferden an der Straße vorbei
von Reitern zu einer anderen Koppel getrieben wird.
Da es bereits 19:00 Uhr ist, als wir Fluðir erreichen, schlagen wir auf dem dortigen
Campingplatz die Zelte auf. Übrigens stoßen wir hier auf den ersten richtig vollen Campingplatz,
da es mittlerweile Freitag ist und die Isländer - wie uns jetzt klar wird - eine ausgesprochene
Campingnation sind: an den Wochenenden zieht es viele Familien mit Kind und Kegel, Wohnwagen und
Angelausrüstung auf die bekannten und zentral gelegenen Plätze, zu denen auch
Fluðir zählt.
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