Der achte Tag dieser Fahrradtour ist so eine Art Wendepunkt. Denn da die Hälfte unserer Zeit bereits
rum ist, müssen wir uns nun entscheiden, was wir weiterhin tun wollen. Es gibt im Wesentlichen nur zwei
Alternativen: die erste wäre, irgendwie zu versuchen wieder an die Südküste zu gelangen,
um dann mehr oder weniger an der Küste entlang zurück nach Westen zum Startpunkt Keflavik zu
fahren. Der große Nachteil dieser Variante wäre, dass wir dann ein großes Stück der
Route, die wir auf der Hinfahrt hatten, ein zweites Mal befahren würden.
Die zweite Möglichkeit besteht darin, zwar ebenfalls an die Küste zu fahren, jedoch weiter
südöstlich und dann auf der Ringstraße weiter um die ganze Insel einmal herum.
Der Nachteil dabei wäre, das man auf jeden Fall streckenweise einen Bus benutzen müsste, der
dann natürlich auch noch ziemliche Kosten verursachen würde. Wir entscheiden und trotzdem für
diesen Weg, denn umkehren ist immer blöd und außerdem gibt es im Osten und Norden noch so
einiges zu sehen. Zum Beispiel die Ostfjorde und die angeblich schönste Stadt der Insel, Akureyri.
Am Abend vorher hatte Ulli schon in "Island per Rad" gelesen, dass die einzig sinnvolle Strecke von
Landmannalaugar an die Südküste die Hochlandstraße F208 ist. Diese jedoch ist für
normale Trekkingräder, wie wir sie dabeihaben, nur sehr schwer zu befahren: es gibt dort die genannten
"Quicksands" in Hülle und Fülle, viele Abschnitte mit unbefahrbarem Geröll und noch viel
mehr Furthen, als wir auf unserem ersten Hochlandabschnitt hatten. Es ist klar, dass uns das viel zu viel
Zeit kosten würde, und daher beschließen wir, diesen Abschnitt über Ytriásar und
Kirkjubærklaustur bis nach Skaftafell mit einem Hochlandbus zurückzulegen. Dieser geländegängige
Bus fährt Landmannalaugar einmal am Tag um 12:30 Uhr an, wie wir aus dem Busfahrplan erfahren hatten. Bis dahin
war noch viel Zeit und so entschließen wir uns, eine Wanderung in die Umgebung zum Berg Brennisteinsaldur
zu machen.
|
|
|
Die Berge, die Landmannalaugar umrahmen, zeigen sich wieder so farbenprächtig,
wie schon auf der Hinfahrt gesehen: schwarzes bis glasiges Vulkangestein wechselt sich
mit rötichen und gelben Gesteinsarten ab. Zusätzliche Farben liefern die grünen
Moose, die hier aufgrund des natürlichen Erwärmung des Erdbodens überall
wachsen und die vielen weißen Schneereste.
Das Ziel unserer Wanderung, der Fuß des Brennisteinsaldur, macht sich schon bald durch
weiße Dampfwolken bemerkbar, die aus einer Senke nicht weit vor uns aufsteigen.
Die Dämpfe stammen aus einem Solfatarenfeld. Es grenzt unmittelbar an die
Südflanke des Brennisteinsaldur und erstreckt sich über eine Fläche von ca.
200m². Aus den
"Solfataren"
dieses Feldes steigen heiße schwefelhaltige Gase auf und verbreiten einen üblen
Gestank. Dort, wo die Gase aus dem Erdboden austreten, wurden im Laufe der Zeit dicke Krusten aus
Kalkgestein und Schwefel abgelagert. Von diesen Krusten schlage ich mit dem Geo-Hammer einige
Stücke ab und verpacke sie sorgfältig, da besonders der Schwefel sehr zerbrechlich ist.
Die ganze Situation ist uns jedoch nicht so richtig geheuer, denn der Ort, an dem wir uns befinden, ist
nicht gerade ungefährlich: einerseits machen die heißen schwefelhaltigen Gase das Atmen
fast unmöglich und zum Anderen scheint der Boden hier recht dünn und brüching zu
sein. Jeder Schritt hört sich hohl an und die Sohlen unserer Schuhe beginnen bereits richtig
heiß zu werden. Außerdem ist es nur noch eine knappe Stunde bis zur Abfahrt des Busses
und so entschließen wir uns, dieses heiße Pflaster zu verlassen.
|
|
|
|
Unterwegs begegnen wir vielen Wanderern, denn die Gegend hier ist ein ausgewiesenes Wandergebiet.
An den Campingplatz von Landmannalaugar ist eigens aus diesem Grund ein regelrechter Wanderhütten-Betrieb,
allerdings ohne Verpflegungsmöglichkeit, angeschlossen. Hier werden den Wanderern, durch ein studentisches
Projekt unterstützt, Möglichkeiten zum Schlafen und Kochen geboten. Ein Informationsbüro ist
ebenfalls vorhanden, wo man von einer engagierten Dame ausführliche Informationen zu Wanderrouten erhält
und topografische Karten der Umgebung kaufen kann.
|
|
|
|
Zum Campingplatz kann man noch sagen, dass er sehr groß ist und über zahlreiche Duschen, Toiletten und
Waschtische verfügt. Außerdem gibt es überdachte und windgeschützte Sitzplätze.
Nachteil ist, dass nur ein schmaler Streifen der Zeltfläche mit Gras bewachsen ist. Der größte
Teil ist steiniger Untergrund und die Mitnahme einer nicht zu dünnen Zeltunterlage und natürlich
Isomatte ist unbedingt zu empfehlen.
Die Weiterfahrt von Landmannalaugar aus mit dem Bus zur Südost-Küste ist ein Abenteuer
für sich: mit einem geländegängigen Magirus-Deutz Hochlandbus geht es durch unzählige
Furthen und Neigungen von bis zu 20 Prozent, sowohl bergauf als auch bergab, sind auch dabei.
|
|
|
Ein Höhepunkt der Busfahrt ist der Zwischenstopp an der Lavaspalte
"Eldgjá":
zwischen den Gletschern Vatnajökull und Mýrdalsjökull liegen zahlreiche Kraterreihen und Spaltensysteme, von
denen eine die 40km lange Spalte Eldgjá ist. Am nordöstlichen Ende zieht sich der Graben über
5km als Explosionsspalte von 140m Tiefe und bis zu 600m Breite hin. Diese
größte Explosionsspalte der Erde entstand in ihrer heutigen Form im Jahr 934 (Die genaue Altersbestimmung
war mit Hilfe des grönländischen Inlandeises möglich. Durch die jährliche Neuschneeauflage bilden sich im
Eis einzelne Schichten, ähnlich wie die Jahresringe bei Bäumen. Beim Eldjáausbruch wurden Aschen bis nach
Grönland geweht. Sie lagerten sich auf dem Eis ab und wurden im Winter von Neuschnee bedeckt. Durch zählen
der "Jahresringe" in Bohrkernen des grönländischen Eises von der Oberfläche bis zur Ascheschicht konnte das
Ausbruchsjahr ermittelt werden).
|
|
|
Bei dem gewaltigen Ausbruch wurden wahrscheinlich über 9km³ Lava explosiv
ausgeworfen. Darauf deuten nicht zuletzt die verschweißten Schlackenreste hin, die auf den Hochflächen
östlich und westlich der Spalte zu finden sind. Sie wurden explosiv aus der Spalte gefördert, fielen zu
Boden und die einzelnen Fetzen schmolzen zu größeren Fladen zusammen.
Am Ende der Schlucht lag bis 1992 einer der schönsten Wasserfälle Islands. Unter einer Naturbrücke () hindurch
stürzte der Fluß Ófærá in die Eldgjá-Spalte. Als im Frühjahr 1993 die ersten Besucher in die Eldgjá kamen,
mußten sie feststellen, daß Schmelzwasserfluten die Naturbrücke zerstört hatten ().
|
|
|
|
Eine weitere bizarre Landschaftsform erwartet einen in der Gegend um Kirkjubærklaustur: hier und dann
noch auf einer Länge von ca. 30km zu beiden Seiten der Ringstraße in Richtung Nordosten erstreckt
sich ein Lavafeld von ungewöhnlichen Ausmaßen. Die gewaltige Größe und die Kargheit sowie
Monotonie dieser Landschaft sind sehr beeindruckend. Die Lavamassen stammen vom größten Lavaausbruch der
Erde in historische Zeit im Jahr 1783, dem Ausbruch der
"Laki-Spalte".
Durch mehrere starke Erdbeben angekündigt brach damals in der
Übergangsregion vom Südisländischen Küstenvorland zum Hochland zwischen den Gletschern
Vatnajökull und Mýrdalsjökull die Erde auf. Der rund 800 Meter hohe "Lakirücken" wurde
auseinandergerissen und auf einer Länge von 25km entstanden entlang einer Eruptionsspalte über 100 Krater.
Während der acht Monate dauenden Ausbrüche ergossen sich 12km³ Lava in südwestlicher Richtung,
füllten das Skaftátal und erreichten einen Monat nach Beginn des Ausbruchs die Küstenregion.
Insgesamt wurde eine Fläche von insgesamt 565km² überflutet.
Durch die direkten und indirekten Folgen des Ausbruchs starben damals 20 Prozent der isländischen Bevölkerung.
|
|
|
Um 19:00 Uhr endet schließlich die Busfahrt an der Endstation im Wanderparadies Skaftafell.
Da der Campingplatz dort ziemlich überlaufen und auch nicht besonders schön gelegen ist,
fahren wir noch ein Stück weiter nach Svínafell. Eine Einkaufsmöglichkeit besteht hier
nur an einem Tankstellen-Supermarkt. Das Sortiment ist sehr eingeschränkt, so sucht man hier z.B.
vergebens nach Brot. Svínafell selbst besteht nur aus einigen Höfen und mehr durch Zufall
erfahren wir von einer Anwohnerin, dass auf dem Hof Flosihólt eine Schlafsackunterkunft und ein
Campingplatz betrieben werden. Für den stolzen, aber gemessen an isländischen Verhältnissen
wohl normalen Preis von rund 20,- EUR pro Person, wählen wir die Schlafsackunterkunft. Bei den
Unterkünften handelt es sich um geräumige Blockhäuser, die für jeweils vier Personen
ausgelegt sind. Jedes Haus verfügt über fließend warmes und kaltes Wasser und zwei richtige
Etagenbetten - für Schlafsackunterkünfte also direkt luxoriös. Am Haus des Betreibers
gibt es auch einen Hot Pot, der bis 21:00 Uhr geöffnet ist. Außer uns sind zwei Amerikanerinnen
die einzigen Gäste und daher bekommen wir eins der anderen noch freien Häuser - so wurde es nur eine
ganz normale ruhige Nacht.
|
|
|
|