Tourbeschreibung - Tag 9
Von Svinafell nach Höfn
Es ist erst der zweite völlig verregnete Morgen auf dieser Tour, und doch fangen wir - bereits völlig verwöhnt vom vielen guten Wetter - an zu nörgeln und zu hadern. Mit dem Rumnörgeln und einem langen Frühstück beschäftigen wir uns, bis der Regen schließlich gegen Mittag aufhört.
Unser Startort, Svinafell, liegt am Südende des 1600km² großen Skaftafell-Nationalparks, der 1967 gegründet wurde. Seine Landschaft ist durch die fortwährende Tätigkeit von Vulkanen und Gletschern geprägt. Wir brechen in südöstlicher Richtung auf der Ringstraße auf. Dabei nähern wir uns immer mehr dem Atlantik, der endlich bei einer kleinen Ansammlung von Höfen mit dem Namen Fagurhólmsmýri in Sichtweite gerät. Mittlerweile ist das Wetter wieder in seiner "alten Form", die besondere geographische der Lage der Ringstraße zwischen unserer jetzigen Position und dem heutigen Reiseziel, Höfn, macht es möglich: über dem Atlantik und dem Küstenbereich spannt sich ein blauer Himmel mit wenigen weißen Cirrus-Wolken. Ein Teil der atlantischen Feuchtluft aus der vergangenen Nacht und vom Morgen hängt unmittelbar vor dem Küsten-Gebirge fest.
Ein anderer großer Teil dieser Luft ist zwischen den Gletschern hindurch ins Hochland aufgestiegen und regnet sich gerade auf diesem Weg als Steigungsregen ab. Wir jedoch haben Sonne und Rückenwind und immer wieder kann man auch einen ungehinderten Blick auf die Gletscher werfen, wenn sich gerade mal eine Lücke in den Wolken über den Bergen auftut. Wegen ihrer besonderen landschaftlichen Lage kann man die Strecke zwischen Svinafell und Höfn wirklich nur jedem empfehlen, der mal eine Radtour auf Island machen will. Zu seiner Linken hat man einen ständigen Blick auf die vielen Gletscherausläufer des Vatnajökull, die sich manchmal bis auf wenige hundert Meter an die Straße heranschieben. Sie wechseln sich ab mit Graslandschaft und schroffen Felsen. Rechts wird man auf der ganzen Strecke vom nahen Atlantik mit seinen schwarzen Sandstränden und grasbewachsenen Dünen begleitet. Je weiter man Richtung Höfn kommt, umso mehr erhält die Küste den Charakter einer Fjordlandschaft und geht schließlich etwa 100km nördlich von Höfn in die bekannten Ostfjorde über.
Nach etwa drei Stunden Fahrt erreichen wir die Gletscherlagune  "Jökulsarlón", die aus meiner Sicht eines der landschaftlichen Highlights Islands ist. Mit seinen 150 m ist dieser Gletschersee der dritttiefste See Islands.


Die Lagune ist voller Eisschollen und -berge, die sich laufend vom Gletscher Breiðamerkurjökull, der sich bis in den See hinein erstreckt, abspalten. Durch einen nur ca. 50 Meter langen Strom, der von der Ringstraße überbrückt wird, treiben die Eisschollen in den offenen Atlantik hinaus. Das ultrakompakte Gletschereis leuchtet in der Sonne in vielen verschiedenen Blautönen und gibt auch dem Wasser des ganzen Sees einen schimmernden Blauton. Die intensiven Farben machen den Besuch der Gletscherlagune zu einem besonderen Erlebnis. Es besteht die Möglichkeit, den See mit einem Amphibienfahrzeug zu besichtigen. Die vielen Nährstoffe im kalten Wasser sorgen für einen großen Fischreichtum, der wiederum Seehunde und viele Möwen anlockt. Tatsächlich können wir einen Seehund beobachten, der sich auf dem Rücken liegend aus der Lagune ins Meer hat hinaustreiben lassen. Leider tauchte er im letzten Moment vor dem Beweisfoto unter. Mit den Möwen mache ich jedoch nähere Bekanntschaft: wie schon einmal an der Südküste werde ich wieder attackiert und habe leider auch wieder keinen Helm auf. Der Kopf hat's aber überstanden - glaube ich.
Hinter Jökulsarlón fährt man zwischen Kálfafellsstaður und Smyrlabjörg an einem ausgedehnten Sander vorbei. Sander sind große muldenförmige Ebenen, die mit Gesteinsschutt übersäht sind, der von aus dem Gletscher kommenden Flüssen angehäuft wird. Ab Smyrlabjörg weichen die Gletscher etwas zurück und man sieht immer häufiger grasbewachsenes Hügelland mit kleinen Dörfern darin. In vielen dieser Dörfer gibt es auch Kirchen, die man auf dem isländischen Land nicht so häufig antrifft.

Gegen 20:00 Uhr erreichen wir  "Höfn". Da wir heute mit über 130km die längste Tagesetappe der Tour absolviert haben, fällt mir der Anstieg nach Höfn ziemlich schwer, zumal ich mittlerweile meine gesamten Trinkvorräte aufgebraucht habe. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht interessant zu wissen, dass man auf den 130km zwischen Svinafell und Höfn keine Einkaufsmöglichkeit mehr hat, abgesehen von einem Tankstellensupermarkt unmittelbar vor Höfn. Mir war das vorher nicht bekannt und ich habe entsprechend schlecht mit meinen Getränken gehaushaltet.
Höfn hat ein empfehlenswertes Campinggelände: es bietet sehr viel Platz und bei der Zeltfläche handelt es sich durchwegs um Rasen. Der Campingplatz ist so gelegen, dass man sein Zelt praktisch immer windgeschützt aufbauen kann. Zum Platz gehört ein Outdoor-Laden, der sämtlichen Campingbedarf anbietet und ein Bistro. Will man in Höfn nicht den Gaskocher bemühen, dann kann ich das Restaurant Vikin in der Vikurbraut 2 nur empfehlen: das Essen ist sehr gut und umfangreich, die Preise sind für isländische Maßstäbe unterdurchschnittlich und somit fast auf mitteleuropäischem Niveau. Was wirklich zu Buche schlägt, ist auch hier wieder das Bier. Der Preis führt zum direkten Entzug ...
Tipp: In Höfn wird eine ganzjährige Gletscherausstellung gezeigt.
Tagesstrecke: 132,5 km.
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